Corona-Warn-App auf Diensthandys?

Jetzt ist sie da, die Corona-Warn-App und Arbeitgeber fragen sich, ob es sinnvoll oder sogar verpflichtend ist, diese auf den Diensthandys der Mitarbeiter zu installieren.

Zu prüfen wäre zunächst, ob für Sie als Arbeitgeber eventuell eine gesetzliche Pflicht besteht, entsprechende Maßnahmen im Pandemie-Fall zu treffen. Wichtige Gesetze, die hierzu in Frage kommen würden, wären:

  • Infektionsschutzgesetz
    Dieses richtet sich in erster Linie an Behörden sowie an Gesundheits- und Wissenschafts-Institutionen. In unserer Berater-Praxis erhielten wir Anfragen, ob ein Unternehmen im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes meldpflichtig gegenüber dem Gesundheitsamt ist. § 8 IfSG definiert ganz konkret die zur Meldung verpflichteten Personen.
    Hieraus ergibt sich für Sie als Arbeitgeber  k e i n e  Meldepflicht gegenüber dem Gesundheitsamt.

Fazit: Es existiert  k e i n e  gesetzliche Pflicht für Arbeitgeber, die Corona-Warn-App zu nutzen.

Unternehmen, die dennoch mit der Einführung der Corona-Warn-App auf den Diensthandys liebäugeln, stehen ggf. vor einer besonderen Herausforderung, für deren Bewältigung diese App auf den ersten Blick sinnvoll ist. Nachfolgend wollen wir hier gedankliche Unterstützung anbieten:

Wäre die Corona-Warn-App dennoch eine verhältnismäßige Infektionsschutzmaßnahme für Ihr Unternehmen?

Ziel der Warn-App ist es, Kontaktketten zu unterbrechen. Mit der App können diagnostizierte Infizierte dazu automatisiert alle Personen schnell informieren, die mit ihnen Kontakt hatten, sofern diese die App ebenfalls aktiviert haben. Infizierungen können jedoch nicht nur in der Abeitszeit geschehen, sondern auch im privaten Umfeld erfolgen. Wäre es also verhältnismäßig, dass Ihre Mitarbeiter ihr Diensthandy auch privat kontinuierlich eingeschaltet mit sich führen (müssen)? Würden die Fürsorge-Interessen für Sie als Arbeitgeber höher wiegen als die Privatsphäre Ihrer Arbeitnehmer? Im Rahmen einer Interessenabwägung könnten Sie ergänzend die aktuelle Pandemie-Lage betrachten.

Wie sieht die aktuelle Pandemie-Lage aus?

Der Tagesspiegel druckte am 14.06.2020 in seinem Artikel Was man über die Corona-Warn-App wissen muss  eine Grafik ab, die darüber Auskunft gibt, wie viele neue Fälle von positiven Testungen es in den letzten 7 Tagen pro Bundesland gab. Deutschlandweit kam man zu einem Durchschnitts-Ergebnis von 2,7 Personen pro 100.000 Einwohnern. Die heutige Veröffentlichung vom Robert-Koch-Institut (RKI) weist einen durchschnittlichen Wert von 2,5 Personen aus. Die aktuelle Wahrscheinlichkeit, einer positiv getesteten Person zu begegnen und sich anzustecken, ist momentan demnach äußerst gering bis unwahrscheinlich.

Hier finden Sie die aktuellen Fallzahlen des RKI https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html

Wie und für wen genau wäre der Einsatz der Corona-Warn-App in Ihrem Unternehmen hilfreich?

Überlegen Sie, welche besonderen Umstände in Ihrem Unternehmen oder gegenüber Ihren Auftraggebern für einen Einsatz der Corona-Warn-App auf Ihren Diensthandys sprechen. Könnte die Warn-App z.B. Ihre Mitarbeiter bei derer eigenen Unterstützungspflicht Ihnen gegenüber helfen, auch ein mögliches Risiko durch den Kontakt zu einer infizierten Person zu melden? Wie wahrscheinlich wird es sein, dass sich Ihr meldender Mitarbeiter auch wirklich angesteckt hat? Was würden Sie mit den daraus gewonnenen Informationen tun? Denken Sie den organisatorischen Prozess bis zu Ende. Hilfreich ist es dabei, diesen am besten gleich in Ihrem Verarbeitungsverzeichnis zu notieren. Involvieren Sie Ihren Datenschutzbeauftragten in Ihre Überlegungen.

Was sagen die Aufsichtsbehörden für den Datenschutz?

Schauen wir abschließend noch mal bei zwei Aufsichtsbehörden für den Datenschutz vorbei, um zu sehen, was diese bzgl. Fürsorge-, Offenlegungs und Arbeitnehmerpflichten veröffentlicht haben:

Die Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht Brandenburg führt hier https://www.lda.brandenburg.de/sixcms/detail.php/947165 dazu folgendes aus:

[Fürsorgepflicht des Arbeitgebers]

Die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber bzw. der Dienstherren verpflichtet diese den Gesundheitsschutz der Gesamtheit ihrer Beschäftigten sicherzustellen. Hierzu zählt nach Ansicht der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden auch die angemessene Reaktion auf die epidemische bzw. inzwischen pandemische Verbreitung einer meldepflichtigen Krankheit, die insbesondere der Vorsorge und im Fall der Fälle der Nachverfolgbarkeit (also im Grunde nachgelagerte Vorsorge gegenüber den Kontaktpersonen) dient. Diese Maßnahmen müssen dabei natürlich immer auch verhältnismäßig sein…

[Offenlegung von nachweislich Infizierten]

…Die Offenlegung personenbezogener Daten von nachweislich infizierten oder unter Infektionsverdacht stehenden Personen zur Information von Kontaktpersonen ist demgegenüber nur rechtmäßig, wenn die Kenntnis der Identität für die Vorsorgemaßnahmen der Kontaktpersonen ausnahmsweise erforderlich ist.… für Arbeitgeber im nicht-öffentlichen Bereich [ergeben sich die Rechtsgrundlagen] aus § 26 Abs 1 BDSG bzw. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO jeweils i.V.m. den einschlägigen … tarif-, arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen des nationalen Rechts. Soweit Gesundheitsdaten verarbeitet werden, sind zudem auch § 26 Abs. 3 BDSG und Art. 9 Abs. 2 lit. b) DSGVO einschlägig…. Maßnahmen gegenüber Dritten können … Im nicht-öffentlichen Bereich …Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DS-GVO als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Soweit besonders sensible Daten – wie Gesundheitsdaten – betroffen sind, findet zudem Art. 9 Abs. 2 lit. i) i.V.m. § 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) BDSG Anwendung…

[Nebenpflichten der Beschäftigten]

…Zusätzlich zu den bestehenden Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung auf Seiten des Arbeitgebers ergeben sich aus demArbeitsrecht für Beschäftigte verschiedene Nebenpflichten, unter anderem auch Rücksichts-, Verhaltens- und Mitwirkungspflichten gegenüber ihrem Arbeitgeber und Dritten. Vorliegend stellt nach Auffassung der Datenschutzaufsichtsbehörden beispielsweise die Pflicht zur Information …des Arbeitgebers über das Vorliegen einer Infektion mit dem Corona-Virus eine solche Nebenpflicht zum Schutz hochrangiger Interessen Dritter dar, aus der unter gewissen Voraussetzungen auch eine Offenlegungsbefugnis gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. c) und f) DSGVO bezüglich personenbezogener Daten der Kontaktpersonen folgt.“

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg empfiehlt hier https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/faq-corona/ u.a.:

…Der Arbeitgeber hat umgekehrt Fürsorgepflichten gegenüber allen Beschäftigten, Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz soweit wie möglich auszuschließen. Ermittlungs- und Eingriffsbefugnisse stehen aber in der Regel nicht ihm, sondern nur den staatlichen Gesundheitsbehörden zu. Arbeitgeber sind daher aufgefordert, im Zweifel den Kontakt zu den Gesundheitsbehörden zu suchen und nicht „auf eigene Faust“, schon gar nicht gegen den Willen der Beschäftigten Gesundheitsdaten zu erheben.​“

UPDATES:

16.06.2020: In seiner heutigen Pressemitteilung sagt der BFDI (Der Bundesbauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit) „Es ist in keinem Fall zulässig, dass Dritte Einblick in die App fordern. Ich kann die Inhaber von Geschäften oder öffentlichen Verkehrsmitteln nur dringend warnen: Versucht es erst gar nicht!“ https://www.bfdi.bund.de/DE/Infothek/Pressemitteilungen/2020/12_Corona-Warn-App.html

16.06.2020: Ergänzend ein passender Beitrag aus dem Expertenforum Arbeitsrecht EFAR: https://efarbeitsrecht.net/die-corona-warn-app-im-arbeitsverhaeltnis/

17.06.2020: Fragerecht des Arbeitgebers https://www.arbrb.de/blog/2020/06/16/corona-warn-app-und-fragerecht/

18.06.2020: Pressemitteilung der Datenschutzkonferenz: „Datenschutzfreundliches Grundkonzept der Corona-Warn-App – Freiwilligkeit darf nicht durch zweckwidrige Nutzung untergraben werden!“ https://www.datenschutzkonferenz-online.de/media/pm/20200616_pm_corona_warn_app.pdf

 

 

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